Allen Gewalten zum Trotz sich erhalten - Nimmer sich beugen, kräftig sich zeigen

Gedenkstätte Deutscher Widerstand

Karl Ibach

Allen Gewalten zum Trotz sich erhalten - Nimmer sich beugen, kräftig sich zeigen

Begrüßungsansprache des Ersten Vorsitzenden des Zentralverbandes Demokratischer Widerstandskämpfer- und Verfolgtenorganisationen (ZDWV) Karl Ibach am 20. Juli 1971 in der Bonner Beethovenhalle

Herr Minister, meine sehr geehrten Damen und Herren,

In der schon seit vielen Jahren zur Tradition gewordenen Form sind wir wiederum hier versammelt, um des 20. Juli 1944 - des Tages der deutschen Erhebung - zu gedenken und gleichzeitig alle diejenigen zu ehren, die in Deutschlands dunkelster Zeit von 1933 bis 1945 dem nationalsozialistischen Ungeist Widerstand entgegen gesetzt haben.

Ich begrüße Sie alle recht herzlich und erspare es Ihnen und mir, bei der Vielzahl der anwesenden Ehrengäste aus dem In- und Ausland einzelne Namen zu nennen. Gestatten Sie mir aber bitte hierbei drei Ausnahmen zu machen, um die Redner des heutigen Abends namentlich begrüßen zu können.

Ich begrüße sehr herzlich Herrn Bundesminister Egon Franke, der als ein wirklicher Schicksalskamerad mit uns die Drangsale der politischen Verfolgung unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft am eigenen Leib kennen gelernt hat.

Ich begrüße weiterhin recht herzlich Herrn Heinz Oskar Vetter, den Vorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Die Gewerkschaftsbewegung ist auch der Verfolgung durch Hitler und seine Trabanten ausgesetzt gewesen. Wir können daher den Deutschen Gewerkschaftsbund heute als ein Bollwerk unserer freiheitlichen Demokratie betrachten.

Und ferner begrüße ich sehr herzlich Herrn Professor Dr. Walther Hofer von der Universität Bern. Wir schätzen in Herrn Professor Hofer einen in der ganzen Welt renommierten Wissenschaftler. Er spricht zu uns nicht nur als anerkannter Zeithistoriker, der bedeutende Werke über die Zeit des Nationalsozialismus geschrieben hat, sondern auch als Repräsentant des Internationalen Komitees zur wissenschaftlichen Erforschung der Ursachen und Folgen des Zweiten Weltkrieges, das sich aktuell insbesondere um die endliche Aufklärung der Hintergründe und der wirklichen Täter des Reichstagsbrandes bemüht.

Um Missverständnisse zu vermeiden, betone ich, dass der 20. Juli 1944 zwar Symbolkraft für den gesamten deutschen Widerstand gegen die Hitler-Tyrannei besitzt, als Ereignis aber keinesfalls allein dasteht, sondern am Ende und als Höhepunkt einer langen Kette von mutigen Taten. Aus dieser langen Kette nehme ich eine andere mutige Handlung - stellvertretend für viele - heraus, die als Lichtpunkt aus der Nacht leuchtet, die 1933 über Deutschland hereinbrach: Ich meine die tapfere Rede des sozialdemokratischen Parteivorsitzenden Otto Wels am 23. März 1933 bei der Ablehnung des Hitlerschen Ermächtigungsgesetzes durch die SPD-Fraktion im Angesicht des Wut schnaubenden Diktators.

Das war ein Lichtpunkt am Anfang der Hitler-Tyrannei, wie der 20. Juli 1944 in später Stunde als Lichtpunkt aufleuchtet - Glieder einer Kette eines durch keinen Terror gebrochenen Freiheitswillens.

Die Haltung der Männer und Frauen, die in Deutschlands dunkelster Zeit das Licht der Wahrheit, Gerechtigkeit und Menschenwürde trugen, wird am besten mit den Worten des Dichters ausgedrückt:

Feiger Gedanken,

bängliches Schwanken,

weibisches Klagen,

ängstliches Zagen,

wendet kein Schicksal,

macht Euch nicht frei!

Allen Gewalten

zum Trotz sich erhalten,

nimmer sich beugen,

kräftig sich zeigen,

rufet die Arme der Götter herbei!






Weitere Reden

20.07.1971
Prof. Dr. Walther Hofer