Der Kampf für die freie Gesellschaftsordnung unserer Zeit

Karl Brandt
Der Kampf für die freie Gesellschaftsordnung unserer Zeit
Rede von Prof. Dr. Dr. Karl Brandt im Jahr 1954 in San Francisco



Wir sind heute hier versammelt, um in Achtung und Bewunderung jener deutschen Männer und Frauen zu gedenken, die ihr Leben einsetzten, um sich gegen die Tyrannei und Gesetzlosigkeit des Hitler-Regimes aufzulehnen und dafür hingerichtet wurden. Wenn wir das Gedächtnis dieser edlen Märtyrer für Freiheit und Menschenwürde ehren wollen, müssen wir die Ereignisse eines Zeitabschnitts betrachten, die durch den krassen Gegensatz der verwerflichsten und teuflischsten Eigenschaften des Menschen einerseits und seiner edelsten Regungen und Taten andererseits eine der größten Tragödien der Geschichte der westlichen Welt darstellt.


Wir gedenken heute dieser vergangenen Ereignisse in einem fernen Lande, weil sie uns einen Einblick geben in die Art des Kampfes der freien Gesellschaftsordnung unserer Zeit. Tatsächlich geht diese Erfahrung jeden von uns ganz persönlich an, weil was in Deutschland geschah, sich überall und zu jeder Zeit ereignen könnte. Nur die genaue Kenntnis dessen, was dort stattgefunden hat – die Entschlossenheit derjenigen, die an Menschenwürde glauben, sie unter Opfern zu schützen – und ständige Wachsamkeit werden andere Länder vor solchen Leiden und tragischen Verlusten bewahren. Während der Schauplatz und der besondere Charakter sich ändern können, würden die menschlichen Grundprobleme als solche die gleichen bleiben. Nur diejenigen, deren Urteil durch Rassenvorurteile getrübt ist, könnten dieses leugnen und versuchen, ganze Nationen oder gewisse Gruppen von Menschen kollektiv anzuklagen. Aus diesem Grunde sollten wir uns daran erinnern, dass es zur Zeit nicht um unseren Streit mit dem russischen Volke geht, sondern mit einem zeitweiligen Regime, das die Grundprinzipien der menschlichen Freiheit ablehnt.


Was in Deutschland von 1933 an bis zum heutigen Tage geschah, ist von großer Bedeutung für uns alle in Amerika, umso mehr, als wir mit diesem Lande aufs Engste verbunden sind. Das amerikanische Volk hat zweimal die deutsche Wehrmacht im Kampfe besiegt und zweimal sein Bestes getan, um Deutschland wieder aufzubauen. Zur Zeit wird Deutschland von unseren Truppen beschützt. 1933 war Deutschland eins der drei führenden und wissenschaftlich fortgeschrittenen Industrieländer der Welt. Es hatte eine Demokratie und eine ordnungsgemäß verfasste Regierung aufgebaut. In jenem Jahr verfiel es dem Totalitarismus und ging beinahe zu Grunde.


Durch die Erschütterungen nach einem verlorenen Kriege, eine unheilvolle und unaufhaltsame Inflation und eine weltweite Depression scheiterte das Deutschland der Weimarer Republik.


Um die ganze Ungeheuerlichkeit der Ereignisse zu begreifen, die ihren Höhepunkt in der Ermordung der deutschen Elite nach dem 20. Juli fanden, müssen wir den Aufstieg des Tyrannen und die Verheerungen seines „Macht-geht-vor-Recht“- Regimes verfolgen.
Um 1933 war ein Drittel der arbeitenden Bevölkerung Deutschlands arbeitslos und lebte von einer kümmerlichen Unterstützung eines schwankenden, demokratischen Staates. Die unglückliche Verfassung der Weimarer Republik trug in hohem Maße zu diesen Missständen bei, so wie auch heute die unglückliche Verfassung Frankreichs diesem Lande Schwierigkeiten bereitet. 1933 wurde nicht ganz die Hälfte der Stimmen in Deutschland für Hitler abgegeben. Er versprach Arbeit, wirtschaftliche Gesundung und neue Sicherheiten. Für viele verzweifelte Menschen war dieses Programm sehr vielversprechend. Nachdem der deutsche Bürger das qualvolle Ringen einer falsch aufgebauten und auf Widerstand stoßenden politischen Entwicklung in einer Demokratie zahlloser Parteien erlebt hatte, glaubte er, dass die Disziplin eines Diktators ihm aus allem Unglück helfen würde, Präsident Roosevelt und Hitler wurden zu Beginn ihrer Amtszeit vor gleiche Probleme gestellt: Die stillstehenden Räder der Industrie in Gang zu bringen, Vollbeschäftigung zu beschaffen, die Preise für die Landwirtschaft zu erhöhen und Planungen sowie soziale Reformen ins Wirtschaftssystem einzubauen. Diese beide Männer waren in jeder Hinsicht grundverschieden, jedoch erkannte Roosevelt erst 1937 oder 1938 die vollen Ausmaße von Hitlers Bosheit. Die Deutschen bewunderten weder Hitlers Äußeres, seine harte, heisere Stimme, seinen österreichischen Dialekt noch seine Art eines billigen Volksredners. Doch spürten die meisten, dass Politik und Wirtschaft an einen toten Punkt gelangt waren, der irgendwie überwunden werden musste, sei es auch unter zeitweiligem Verzicht auf einige Freiheiten.


Unglücklicherweise für die Deutschen schufen die innerpolitischen Schwierigkeiten, die soziale Not und die trostlose internationale Lage solch eine Krise, dass einige Monate später Hitler sowieso an die Macht gekommen wäre. Die Befehle Hitlers und seiner Anhänger waren klar. Seid hart, vernichtet die Gegner, schont niemanden, erstickt jeden Widerstand, macht sie alle mundtot. Das wird die Lage ändern und eine Gesundung beschleunigen. Dieses geschah in der Tat. Der Terror regierte das Land vom Tage der Machtergreifung Hitlers an.


Bisher waren die Gräueltaten eine innere Angelegenheit gewesen, aber am 30. Juli 1934 zeigte Hitlers Mordbande der Welt ihr wahres Gesicht. Bei der Niederwerfung des vermeintlichen Aufstandes von Hauptmann Röhm ging in Deutschland eine Welle der Vernichtung über die Gegner. Der ehemalige Kanzler Kurt von Schleicher, seine Frau, General von Bredow, Staatssekretär Klausener, Vizekanzler von Papen, Edgar J. Jung und eine Menge anderer wurden auf mörderische Weise von einem SS-Kommando erschlagen. Der ehemalige Kanzler Heinrich Brüning und mein Freund Minister Gottfried Treviranus entgingen, dank der Hilfe britischer Freunde, knapp der Erschießung. Offener Terror starrte einem aus den Augenhöhlen der Totenköpfe auf den Mützen der SS entgegen. Bald wagten die Deutschen nicht mehr, die Namen Himmler oder Heydrich auszusprechen aus Angst, der Klang dieser Namen allein könnte den Tod bringen. Tausende von Ärzten, Studenten und Wissenschaftlern verließen das Land, weil sie verfolgt wurden, oder weil sie in rassisch-politischer oder religiöser Hinsicht für unerwünscht erklärt wurden. In der Zeit von 1933-1937 gab Hitler Deutschland Vollbeschäftigung und wirtschaftliche Gesundung und bewaffnete es bis zu den Zähnen. Zu gleicher Zeit war er auf den Gedanken der Rache für Versailles und der Eroberung Europas oder mehr verschworen und wurde von einer krankhaften Machtgier verzehrt.


Durch die Erfolge auf dem Gebiete der wirtschaftlichen Gesundung und der uneingeschränkten Wiederbewaffnung hatte er eine politische Stellung erlangt, die zuerst von Frankreich, dann von Großbritannien und dann von Russland anerkannt wurde. Während die westlichen Demokratien die Tschechoslowakei an Hitler auslieferten, ging Stalin einen Schritt weiter und handelte, in Übereinstimmung mit Hitler, Polen und Rumänien aus und verschlang die Baltischen Staaten. Damit hatte die Befriedung schließlich ein Ende, Molotov und von Ribbentrop ratifizierten dieses mörderische Geschäft. Derselbe Herr Molotov, der gelegentlich bereit ist, bei ähnlichen Situationen die gleichen Geschäfte anzubieten, wenn auch die Bedingungen jetzt härter sind.


Hitler begab sich dann auf den verhängnisvollen Kriegspfad und macht schließlich denselben Fehler wie Napoleon: Er überfiel Russland, während die Vereinigten Staaten und Großbritannien sich für den Angriff vorbereiten konnten, der Hitler zu Fall brachte.


In all den Jahren von 1933 bis zum heutigen Tag ist behauptet worden, dass die Verdrehung aller Begriffe, die früher für Deutschland, im Land einer langen Geschichte, maßgebend waren, ohne den geringsten Bürgerkrieg oder gar Einspruch vor sich ging. Es ist keine Übertreibung zu sagen, dass, wenn auch Amerika die besten Informationsmittel zur Verfügung stehen durch Radiokommentare, Zeitungen, Zeitschriften und einem großen Aufgebot von Nachrichten-Agenturen, die öffentliche Meinung noch immer dahin geht, dass alle Deutschen bei der Machtergreifung Hitlers hundertprozentige Nazis wurden. Es ist den Amerikanern auch glaubhaft gemacht worden, dass dieses scheußliche System, welches alle bürgerlichen Rechte leugnete, die Wiederspiegelung des Volkswillens war. Die Allgemeinheit glaubt, dass das Nazisystem aufgebaut wurde von den berühmtesten Philosophen und Staatsmännern Deutschlands wie Kant, Fichte, Hegel, Nietzsche und Bismarck, und dass ihre Philosophie, ihre politische Überzeugung in Verbindung mit ihrem Opportunismus, ihrer Fügsamkeit und ihrem angeborenen Militarismus logischerweise zu einer kriecherischen Liebedienerei vor dem Tyrannen führen musste. Dieses Thema ist in unzähligen Variationen behandelt worden von einem Heer von Pseudo-Philosophen und der stets beliebten Entdecker offensichtlicher politischer Wahrheiten von gestern. Eine Ausnahme machte man nur mit den deutschen Juden, obgleich auch sie durch ihre Kultur und jahrhundertlanger Zugehörigkeit zur deutschen Gemeinschaft im wahren Sinn des Wortes Deutsche waren und zum größten Teil musterhafte Untertanen. Sie wurden durch eine verächtliche Gnadengeste von der deutschen Schuld freigesprochen.


Glücklicherweise ist die Einstellung und das Bekenntnis zu den menschlichen Werten wie Würde, Freiheit und Wahrheit nicht abhängig von Rasse und Farbe. Der Mangel an Kenntnissen im amerikanischen Volk über den tatsächlichen Kampf im Lande gegen Hitler trifft die Deutschen nicht, trifft aber uns in unserer Auslandspolitik und in unserem Verständnis der geschichtlichen Ereignisse.


Die Wahrheit ist tatsächlich ganz anders und viel komplizierter. Während vieler Jahre, besonders als die wirtschaftliche Gesundung an erster Stelle stand, und auch als man an einen Sieg nach dem unerwarteten Zusammenbruch in Frankreich glaubte, machten die meisten Deutschen die nationale Politik unter der Führung eines totalitären Kanzlers mit antidemokratischen Mitteln mit. Es gab auch in unserem Lande eine Zeit als Anne Morrow Lindbergs „The wave of the future“, die eingesehen hatte, dass es nichts nützte, gegen den Strom zu schwimmen, der Bestseller war.


Von Anfang an gab es eine starke Opposition und eine Widerstandsbewegung in Deutschland gegen die Polizeistaat-Herrschaft. Wie ich bereits sagte, war es im April 1933, dass die Sachsenhausener Brauerei in ein Konzentrationslager verwandelt worden war. Diese üblen erzieherischen Strafanstalten entstanden an vielen Orten in ganz Deutschland. Die Lager waren bald überfüllt. Warum? Weil sich vom ersten Tage an eine entschlossene Widerstandsbewegung gegen den totalitären Staat bildete, von Menschen, die nicht gewillt waren, die Willkür und die Tyrannei des Polizeistaates zu schlucken. Sich dem allmächtigen und unbarmherzigen totalitären Polizeistaat zu widersetzen, der es verstand, mit psychiatrischer Schläue den persönlichen Willen des Einzelnen zu brechen, ist unendlich viel schwieriger als ein normaler Bürger, der nichts als eine gesetzliche Regierung kennt, sich vorstellt. Auch jetzt noch, trotzdem wir wissen, was mit dem Kardinal Mindszenty, Robert Vogeler, General Dean und einer Menge anderer, tapferer Männer geschehen ist. Erklärte man sich nicht mit jeder Laune des Nazi-Regimes einverstanden, so hatte man – sogar in den ersten Tagen der zwölf Jahre der Nazi-Herrschaft – nur zwei Möglichkeiten: Entweder konnte man auswandern, oder aber man konnte bleiben und passiven oder aktiven Widerstand leisten.


Ich wählte den leichteren Weg der Auswanderung, weil ich nicht wusste, ob ich die Qualen der Einzelhaft ertragen hätte. Ich hatte viele gute Freunde in diesem Lande hier, so dass mir sich die bequeme Möglichkeit des Weggehens bot. Entschlossen sie sich aber zu bleiben, wie es die meisten Deutschen tun mussten, und sie kein moralischer Schlangenmensch waren, so waren sie gewärtig, ihr Leben buchstäblich ständig aufs Spiel zu setzen mit der Gewissheit, dass niemand je erfahren würde, warum und wie sie verschwunden waren. Ich möchte fragen, wie die scharfen Kritiker und zungenfertigen Schwätzer es fertig bringen, die unglücklichen Menschen, die in der Falle des Totalitarismus gefangen wurden, selbstgefällig abzuurteilen. Diese selbstgefälligen Kritiker sind überzeugt, dass sie ganz anders wären als die Deutschen, wahrhafte Helden, hart wie Stahl und angesichts des sicheren Todes unbeirrbare Verteidiger des Glaubens. Nicht jeder Mensch ist ein geborener Märtyrer, sei er Deutscher, Russe, Franzose, Amerikaner, Jude oder Arier. Er hat den angeborenen Trieb, sich am Leben zu erhalten, wenn auch unter den qualvollsten Bedingungen. Hat er aber Angehörige, Verwandte und Freunde, so stärkt es seinen Lebenswillen noch um ein Vielfaches.


Die frühere Gestapo und ihre Schwester-Organisation die GPU und die MVD, oder wie die Buchstaben alle heißen, deren sich die Hilfscorps des Polizeistaates zur Tarnung bedienen, sind zäh, wissenschaftlich ausgerüstet mit den neuesten elektronischen Erfindungen und den Mitteln der psychoanalytischen und psychosomatischen Folter. Wie in allen Ländern, wo der Totalitarismus die Macht ergreift, schüchterten die deutschen Nazis das Volk durch die lächerlich einfache aber sehr eindrucksvolle Methode anonymer Denunziation ein. Die Denunziation wurde nicht nur begünstigt, es wurde sogar als kriminelles Vergehen bezeichnet, wenn Kinder ihre Eltern und Männer ihre Frauen nicht anzeigten.


Sie werden aus folgendem Beispiel verstehen, worauf dieses alles hinausläuft. Einer meiner verstorbenen Freunde, Landwirtschaftsminister Dr. Hans Krueger, machte im Jahre 1935 diese Erfahrung. Die Gestapo forderte ihn auf, in einer Gutsverwaltung bei einem Inspektor zu erscheinen, zwei Wochen nach dem Datum der Vorladung. Nachdem Krueger, leicht erregt durch das Warten und die Angst vor der gefährlichen Staatsmaschinerie, beim Inspektor eintrat, wurde ihm eine Zigarre angeboten und bedeutet, er möge sich ganz zwanglos benehmen und sich wie zu Hause fühlen. „Sie haben in letzter Zeit einige recht unkluge Dinge getan, nein? Möchten Sie vielleicht etwas in Ihrer Gestapo-Akte lesen? Hier ist sie, bitte bedienen Sie sich. Nehmen Sie sich Zeit. Sie brauchen sich nicht zu beeilen“. Mein Freund las und las und schwitzte dabei Blut. Er fand einen Bericht über eine kleine Abendgesellschaft, die er veranstaltet hatte, bei der nur drei seiner Freunde anwesend gewesen waren. Teile ihrer Unterhaltung waren wiedergegeben – gefährliche Gespräche – Aufstand gegen das verbrecherische System und tatsächliche Sabotage-Pläne des Nazi-Regimes. Während mein Freund las, unterschrieb der Inspektor Briefe und paffte seine Zigarre. „Bitte nehmen Sie sich Zeit“, meinte er. Schließlich sagte er zu Krueger: „Haben Sie keine Angst, wir werden Sie nicht verhaften, wir möchten Ihnen nur sagen, dass wir Sie beobachten. Gehen Sie lieber den geraden Weg. Ich würde es sehr bedauern, wenn wir Ihnen etwas antun müssten, besonders da Sie eine Frau und Kinder haben. Seien Sie vorsichtig. Auf Wiedersehen – alles Gute.“


Die Menschen, die sich gegen die Unmoral des abscheulichen Systems auflehnten, wussten, dass sie sich in einer genauestens entworfenen und wirksam in Gang gebrachten Falle befanden, aber viele von ihnen gingen trotzdem ihren Weg weiter und gewöhnten sich an die stets wachsamen Augen und Ohren der Gestapo und an die Anwesenheit von Denunzianten. Es ist nicht zu glauben, wie solch ein Zustand Menschen, die nicht über die stärksten Nerven verfügen, verändert. Meine bejahrten Eltern besuchten mich 1937 in New Jersey. Erst nach zehn Tagen gelang es mir, meinem Vater an einem abgelegenen Ort auf dem Lande zu überzeugen, dass wir hier ein offenes Wort über alles, was zu Hause vor sich ging, reden konnten.


Sie könnten fragen, wann die Widerstandsbewegung an Bedeutung gewann und ob es ihr je gelang, das Nazi-Regime ernstlich zu gefährden. Vielleicht fingen die Deutschen an, sich aufzulehnen, erst als die Waagschale nach oben schwankte und die amerikanischen, britischen und Sowjetarmee in Deutschland standen? Dieses sind sicher berechtigte Fragen und sie können nicht einfach durch einen allgemeinen Bericht beantwortet werden. Wir haben aber jetzt einen beinahe umfassenden Bericht über das, was geschah, vorliegen, besonders dank der Tatsache, dass die beschlagnahmten Akten sich jetzt in Alexandrien befinden, die meisten Gestapo-Berichte enthalten. Dank der Angewohnheit der Deutschen, niemals ein beschriebenes Blatt Papier wegzuwerfen, haben wir auch die deutschen Polizei- und Gefängnisberichte und eine große Anzahl persönlicher Aufzeichnungen zur Verfügung. Mehr als 340 Bücher handeln von der deutschen Widerstandsbewegung gegen Hitler. Was tatsächlich geschah, entsprach keineswegs einer einheitlichen Einstellung.


Einige klar denkende Köpfe hatten genug Verstand, um zu begreifen, bevor Hitler zur Macht kam, dass er ein Wahnsinniger war, dessen Fähigkeiten und Begabungen sich zu einer teuflischen Kombination in seiner krankhaften Persönlichkeit vereinigten. Sie wussten auch, dass er eine seltene mystische Gabe besaß, auf die Volksmassen zu wirken und außerdem über eine psychopatische Hellsichtigkeit verfügte. Als Präsident Roosevelt in Teheran die Bemerkung machte „Hitler – dieser Narr“, entgegnete Stalin eilig: „Sie können diesen Mann nicht als einen Narren bezeichnen, jemand, der so viel in der Geschichte erreicht hat, ist bestimmt kein Narr.“ Die Männer, die zuerst mit ihm als echte und legitime Gegner zu tun hatten, waren die Generäle, die Hitler von der kleinen Reichswehr der Weimarer Republik übernommen hatte. Es waren durch und durch konservative Männer in vorgerücktem Alter, mit Kampferfahrungen aus dem Ersten Weltkrieg, erzogen in preußisch puritanischem Geiste. Nach dem Verlust des Ersten Weltkrieges waren sie kritische Beobachter der demokratischen Regierungen in Notzeiten geworden. Fraglos waren sie große Patrioten. Die Generäle von Hammerstein-Equord, Beck, von Fritsch, von Witzleben, Oster, Carl Heinrich von Stülpnagel, von Brauchitsch und der Chef der Abwehr, Admiral Canaris, – nur um einige von ihnen zu nennen, alles Männer von großem Format, waren sich klar geworden, wer der Gefreite des Ersten Weltkrieges wirklich war.


Sie sahen in ihm zukünftig die größte Bedrohung ihres Landes und der gesetzmäßigen Regierungen Europas. Sie waren gewissenhafte Männer der Ordnung. Hitler war für sie ein Marktschreier und Bandit. Aber sie sahen es nicht als ihre Aufgabe an, die politische Führung zu übernehmen. Weder in den Vereinigten Staaten noch in Deutschland oder England gehörte es zur normalen Laufbahn der Generäle und Admiräle, die politische Verantwortung zu tragen, die in den Händen von ordnungsgemäß ernannten Zivilbehörden lag. Hitler wusste, wer seine Todfeinde waren und schrak nicht vor den verwerflichsten und gemeinsten Methoden wie Intrigen, Bestechungen und geistiger Vergewaltigung zurück, um einige von ihnen loszuwerden und die Reihen zu sprengen.


Wie die Gerichtsverhandlungen in Nürnberg es bewiesen haben, war der deutsche Generalstab ein Gegner von militärischen Abenteurern. Er kannte zu genau die Grenzen von Deutschlands wirtschaftlichen und militärischen Hilfsquellen und war klug genug, um zu wissen, dass man wahrscheinlich Schlachten gewinnen könnte, aber niemals einen Krieg, in den die Vereinigten Staaten und Großbritannien unweigerlich verwickelt worden wären. Sie misstrauten Hitler in jeder Hinsicht, seinem Charakter, seiner Weltanschauung, der Reife seines Urteils und sogar seinem politischen und militärischen Instinkt. Die gemeine Ermordung von General von Schleicher, von Bredow und der Herren Klausener und Jung und einer Unmenge anderer öffnete den Generälen, soweit dies überhaupt noch nötig war, die Augen. Diese Männer wussten viel mehr als das Volk über die kaltblütige Mörderbande, die die Macht in Deutschland ergriffen hatte.


Die richtige Frage ist natürlich: Da sie so viel wussten, warum handelten sie nicht und beseitigten Hitler? Dieses ist eins der schwierigsten Probleme des verzweifelten Kampfes zwischen Widerstandsbewegung und dem Hitler-Regime. Um es gleich zu sagen: Diese Männer bemühten sich tatsächlich dauernd, die Beseitigung Hitlers zu erreichen, aber er umgab sich mit seiner eigenen Prätorianer-Garde der SS und SD und durchsetzte die Wehrmacht mit jungen Offizieren seiner Wahl. Die militärische Widerstandsbewegung vereinigte sich mit bürgerlichen Gegnern, anfangs hauptsächlich mit denen des konservativen Flügels. Unter diesen Männern, die zu einem aktiven Widerstand bereit waren, war der frühere Bürgermeister von Leipzig, Dr. Carl Goerdeler, Staatssekretär Ernst von Weizsäcker und der frühere Reichsbankpräsident Hjalmar Schacht. Sie planten für den September 1938 einen Staatsstreich mit Hilfe der Truppen, die für den Angriff auf die Tschechoslowakei bereit standen. Gerade in diesem Augenblick teilte der britische Premierminister Chamberlain, der von der Verschwörung in Kenntnis gesetzt war, Hitler mit, dass er mit ihm über die Tschechoslowakei verhandeln wolle. Am 29. September errang Hitler in München einen vollkommenen Sieg. Er rettete scheinbar den Frieden, beraubte aber die Generäle der Möglichkeit, einen Staatsstreich auszuführen.


Einer der größten Fehler der Generäle der Widerstandsbewegung war, dass sie den Einfall in Polen nicht verhinderten. Zu jener Zeit hätten sie noch den Gang der Geschichte wenden können. Was sie später taten, war nur der Versuch, die Ausdehnung des Krieges nach Westen aufzuhalten. Sie erwirkten vom Oberkommando die Rückziehung des Angriffsbefehls, aber zwei von ihnen weigerten sich mitzumachen. Hitler hatte wieder freie Hand. Zu dieser Zeit setzte jedoch die politische Tätigkeit der bürgerlichen Anhänger der Widerstandsbewegung ein. Sie verhandelten über Norwegen durch Vermittler in London und sandten zu gleicher Zeit Dr. Adam von Trott zu Solz als Beauftragten auf dem Luftwege über Gibraltar nach Washington, wo er mit führenden politischen Persönlichkeiten wie Felix Morley, Justice Felix Frankfurter und einigen Diplomaten über die deutsche Widerstandsbewegung verhandelte. Präsident Roosevelt lehnte jeden Versuch, mit der deutschen Widerstandsbewegung Verhandlungen aufzunehmen, ab. Die gleiche Einstellung überwog in London. Die allgemeine Ansicht war: Bedingungslose Kapitulation – nichts anderes.


Auf seiner Heimreise nach Deutschland über Japan und Russland besuchte mich Dr. von Trott einen Tag in meinem Heim in Palo Alto. Ich verurteilte scharf die Führer der Widerstandsbewegung wegen ihres folgenschweren Zögerns und Hinhaltens und sagte schließlich meinem Gast, dass der gescheiterte Versuch, den Einfall in Polen aufzuhalten, letzten Endes zur völligen Vernichtung Deutschlands durch die Vereinigten Staaten führen würde, wie auch zur Hinrichtung seiner selbst und seiner Verschwörer-Freunde durch Hitler. Trott war einer der Ersten, der von Hitlers Truppen nach dem 20. Juli ermordet wurde.


Als der Krieg weiterging, fing die Tätigkeit in der Widerstandsbewegung an, sich zu festigen, sie konnte sich jedoch niemals zu einem Massenaufstand ausdehnen. Die Untergrundarbeit musste von kleinen Gruppen treuer Freunde ausgeführt werden. Männer aller Bevölkerungsschichten nahmen daran teil. Viele wurden von Gestapo-Agenten geschnappt, die sich als Mitglieder der Widerstandsbewegung ausgaben. Es gab unter ihnen hervorragende Persönlichkeiten aus der Arbeiterschaft wie Dr. Julius Leber, Carlo Mierendorff, Theodor Haubach und Wilhelm Leuschner (Kurt Schuhmacher war längst in einem Konzentrationslager verschwunden).


Besonders starke Zentren der Widerstandsbewegung waren die katholische und die protestantische Kirche. Die Kardinäle Faulhaber, München, Graf von Galen, Münster, und Graf von Preysing in Berlin führten furchtlos einen ständigen Kampf gegen den heidnischen Glauben, die Rassentheorie, die Unmenschlichkeit, die Tötung der Geisteskranken und die Verdrehung des Begriffs der Nächstenliebe. Sie beschützten die jüdischen Flüchtlinge und es gelang ihnen, eine große Anzahl von ihnen zu retten. Mitglieder der Bekennenden Kirche unter der Leitung der Pastoren Niemöller, Bonhoeffer, Lilje, Dibelius, Gerstenmaier und eine große Anzahl hervorragender Laien führten einen regelrechten Kampf. Die kleine Schar der 7-Tage-Adventisten waren unbezähmbare Gegner und wanderten in die Konzentrationslager. Andere kleine Sekten bildeten ebenfalls Widerstandszellen. Führende Männer der Landwirtschaft, der Industrie, Bürgermeister, Verwaltungsbeamte, Professoren – vornehmlich Sozial-Politiker – vereinigten sich mit Diplomaten wie Otto Kiep, von Hassell, von Trott, von Weizsäcker, Graf Bernstorff und Graf von der Schulenburg.


Eines der bedeutendsten geistigen Zentren der Widerstandsbewegung war der sogenannte Kreisauer Kreis unter der Leitung des Grafen Helmuth von Moltke. Dieser Kreis arbeitete nicht für eine Beseitigung des Hitler-Regimes durch Gewaltmaßnahmen, bereitete aber den Boden auf geistigem Gebiet für die Zeit nach dem Umsturz vor. Das ging so weit, dass Vorbereitungen zur Bildung einer neuen Regierung und einer demokratischen Vertretung des Volkes getroffen wurden. Eine neue Konstitution wurde ausgearbeitet für eine wahrhaft freie Gesellschaftsordnung und ein Staatswesen auf gesetzlicher Grundlage. Auch wurde eine Liste der zukünftigen politischen Führer und Kabinettsmitglieder aufgestellt. Der Kreis und seine Freunde hatte auch einen Plan ausgearbeitet, nach dem die Nazi-Führer wegen ihrer Verbrechen einem Gericht zu übergeben waren. Die geistige Einstellung dieses Kreises gibt einem den Schlüssel zur Idee der Bonner Politik von heute. Diese Männer weigerten sich, in die Katastrophe, die sie kommen sahen, einzugreifen, weil sie beim Aufbau einer vernünftigen Gesellschaftsordnung dieses Mal der Entwicklung einer unbarmherzigen politischen Macht ihren Lauf lassen wollten, damit man sie bis zum bitteren Ende verfolgen könnte. Sie wollten keine neue Dolchstoßlegende – sicher ein bedeutender Entschluss in Anbetracht des unendlichen Unheils, das darauf folgte. Aber diese Menschen fühlten, dass die Ausmaße einer Katastrophe nicht größer sein würden als die Schande und Verderbtheit, welche der Antichrist und seine Kohorten über die Deutschen im Westen gebracht hatte.


Außer diesem Kreise gab es eine wachsende Anzahl von Männern, besonders unter den höheren Offizieren der Armee, die glaubte, dass, um eine völlige Zerstörung des Landes zu vermeiden, Hitler und seine Helfershelfer vernichtet werden mussten. Diese Überzeugung wurde durch die klare Einsicht bestärkt, dass Hitler in seinem Wahn die Berufssoldaten dazu zwang, immer mehr Verbrechen gegen die Regeln der Kriegsführung und der gültigen deutschen und internationalen Gesetze zu begehen.


Die Anführer dieser Gruppe waren – neben General Beck – militärische Führer in den Hauptquartieren der Armeegruppen in Russland, Männer in der Oberleitung in Paris und im Wehrmachtskommando in Berlin.


Am 13. März 1943 legte Oberst von Schlabrendorff eine Bombe mit Zeitzündung in Hitlers Flugzeug. Trotz einiger Monate sorgfältiger Vorbereitung und einigen hunderten von Versuchen mit Bomben dieser Art versagte der Mechanismus in der Praxis. General von Gersdorff trug in seinen Manteltaschen zwei Bomben mit Zeitzündung, um Hitler und sich selbst in die Luft zu sprengen, aber Hitler verließ die Versammlung einige Minuten früher, als die Bomben explodieren sollten. Im Winter 1943-44 legten einige Offiziere Hitler neue Uniformen vor und brachten Dynamit mit, um ihn zu töten. Ein Luftangriff unterbrach die Vorführung. Im Dezember 1943 gelang es Graf Stauffenberg, eine Bombe durch die Wachen in Hitlers Hauptquartier zu befördern, als Hitler zu einer Konferenz erwartet wurde. Aber Hitler sagte diese Konferenz ab. Zehn verschiedene Versuche, Hitler zu töten, wurden vor dem letzten unheilvollen Anschlag gemacht. Schließlich, am 20. Juli 1944, legte Graf Stauffenberg eine Bombe in eine Mappe neben Hitlers Tisch in seinem Hauptquartier in Ostpreußen – Wolfsschanze – und die Baracke ging in Flammen auf. Hitler wurde verwundet, aber nicht getötet. Die Verschwörung gelang in Paris und auch zum Teil in Berlin, wo Truppeneinheiten sich betätigten, aber sie misslang infolge der erfolgreichen Gegenaktion von Hitlers Hauptquartier aus. Hitler begann sogleich, die dadurch entdeckten Gegner zu liquidieren.


Vom 20. Juli an wütete der Terror in ganz Deutschland und in den deutsch besetzten Gebieten, so wie der rote Terror Sowjet-Russland gepackt hatte nach dem Attentat auf Lenin. Zehn schicksalhafte Monate dauerte die wilde Schreckensherrschaft, von Hitler angespornt, der jetzt in einem Machtwahn das ausführte, was er einstmals Hindenburg gesagt hatte. Die Gestapo ergriff alle Verschwörer, deren Namen bekannt waren, und durch Folterung der Gefangenen wurden noch viele andere erfasst. Die Hinrichtungen gingen bis zum Schluss weiter, als schon die Truppen der Gegner in Berlin waren. Alle Gefangenen wurden gefoltert und nach Schauprozessen durch den berüchtigten Volksgerichtshof zum Tode verurteilt. Bei seinen erbittertsten Feinden bestand Hitler in vielen Fällen darauf, dass die Opfer langsam zu Tode gefoltert wurden und nicht mit den andern zusammen hingerichtet. Unsere Truppen erbeuteten Filme, die von diesen ekelerregenden Vorgängen auf Hitlers Befehl aufgenommen worden waren und die er sich in den letzten Tagen in einem Bunker in Berlin ansah. Durch diese grausigen Ereignisse wurde der größte Teil der deutschen Elite, die zur Führerschaft der Christenheit gehörte und sich gegen Hitler aufgelehnt hatte, vernichtet. In den Jahren 1933-1934 wurden circa 32.500 Deutsche durch sogenannte Gerichtsverfahren verurteilt, dazu kamen noch die unzähligen Opfer, die in den Konzentrationslagern umkamen. Bis 1939 waren mehr als eine Million Deutscher in die Konzentrationslager gebracht worden, im Jahre 1939 waren 300.000 davon Lagerinsassen. Der Krieg hatte Deutschland, eine Nation von 67 Millionen, 3 ½ Millionen Soldaten und 500.000 Zivilisten gekostet, aber die Ermordung der Elite war entschieden der größte Verlust. Die verschiedenen Gruppen, aus denen sich die Widerstandsbewegung zusammensetzte, und ihre Mitglieder, die ermordet wurden, sind zu zahlreich, um sie hier aufzuführen. Es waren auch viele tapfere deutsche Frauen und junge Menschen dabei. Der Studentenkreis „Die Weiße Rose” hatte in München den Aufstand organisiert. Die Anführer wurden hingerichtet. Der „Edelweißkreis“ in Hamburg war ebenso tapfer und aktiv.


Zum Abschluss kann gesagt werden, dass eine bedeutende und moralisch sehr starke Widerstandsbewegung gegen Hitler bestand, die sich aus außerordentlich tapferen Männern und Frauen zusammensetzte. Mit dieser Feststellung wird aber ihre echte, tragische ja sogar glorreiche Rolle in der Geschichte falsch ausgelegt und nicht genügend bewertet. Ihre Situation war tragisch; wie sie auch handeln mochten, sie konnten nicht umhin, ihre eignen Ehrbegriffe zu verletzen. Sie mussten sich an einer teuflischen Persönlichkeit vergreifen, die eine der bösen Geister der Geschichte war und mehr Macht in den Händen hatte, als irgendein anderer Mensch – einem unbarmherzigen Mörder. Auf ihrem freiwilligen Wege zum Märtyrertum – sich stets das letzte Opfer vor Augen haltend – erreichten sie eine seltene menschliche Größe und eine Reihe von ihnen starben als Heilige. Die Briefe, die sie in ihren Gefängnissen schrieben, gehören zu den wertvollsten Schätze westlicher Kultur. Was diese Menschen in Wirklichkeit errangen, war der größte Sieg, den die Menschheit überhaupt gewinnen kann. Der 20. Juli 1944 war der dunkelste Tag in Deutschlands Geschichte, aber zugleich sein strahlendster.


Welch ein apokalyptisches Bild bot sich vor zehn Jahren in einem der aufgeklärtesten und führenden Lande des Westens. Gänzliche Verzweiflung und Unglück überall. Städte, zu Julius Caesars Zeiten gegründet, waren nur noch rauchende Trümmer. Überall Massenselbstmorde und Ermordungen. Wie in biblischen Zeiten erzitterte die Welt unter Gottes Zorn und ein böser Geist und seine Herrschaft, die tausend Jahre währen sollte, wurde gestürzt, als er gerade dabei war, die Elite seiner Nation zu vernichten. Aber in der Dunkelheit der Gefängniszelle leuchtete die Güte Gottes und menschliche Würde und Achtung der Wahrheit erstanden aufs Neue. Dort begann auch die Wiedergeburt der erniedrigten Nation. Die Märtyrer wussten, dass sie dafür in den Tod gingen. Die letzten Worte von einem unter ihnen, des Grafen Michael Matuschka, waren: „Welche Gnade Gottes ist es, gehängt zu werden für die Ehre seines Landes an dem Tage, an dem das Kreuz aufgerichtet wird.”


Die berühmten Männer und Frauen, die für die Freiheit starben, fehlen heute an unzähligen Stellen. Dieser ist einer der schwächsten Punkte Deutschlands und Europas. Aber Dank Gottes Gnade ist noch ein kleiner Teil der Elite am Leben geblieben. Durch Bombenregen und Feuersbrünste waren die Zustände in Deutschland in der letzten Zeit des Krieges derart, dass zuweilen das Mordsystem von Hitlers Henkern nicht durchgeführt wurde. Sowjetische, amerikanische und britische Truppen befreiten einige der Opfer, die auf ihre Hinrichtung warteten. Diese sind heute die Männer, die in der Politik den Ton angeben, wie auch in der Gesetzgebung und der öffentlichen Moral in der Deutschen Bundesrepublik.


Wir können dankbar sein, dass sie es tun. Es ist aber für die Staatsmänner der anderen westlichen Nationen eine Verpflichtung, diese tragischen Unterlassungen wieder gutzumachen und mit den Mitgliedern der Widerstandsbewegung, die noch am Leben blieben, und denjenigen, die Opfer von Hitlers Rache wurden, zusammenzuarbeiten. Diese Menschen verdienen besonders in ihren Bemühungen, ein besseres Europa zu schaffen, die Hilfe der westlichen Welt.


Alle, die hier versammelt sind, um das Andenken dieser Märtyrer zu ehren, haben die Pflicht und das Vorrecht, die Wahrheit über ihren Kampf zu verbreiten und selbst noch mehr daraus zu lernen.


Meine Gedanken gehen in tiefer Achtung und Verstehen zu all meinen Freunden, die ich am 20. Juli verloren habe, und zu ihren Witwen, die ihren Kampf und ihr Leiden teilten und ihr geistiges Erbe bewahren. Einer der ermordeten Verschwörer gegen Hitler, Pastor Dietrich Bonhoeffer, sagt in „Stationen auf den Wege zur Freiheit“ das er im Gefängnis schrieb: „Nicht das Beliebige, sondern das Rechte tun und wagen, nicht im Möglichen schweben, das Wirkliche tapfer ergreifen, nicht in der Flucht der Gedanken, allein in der Tat ist die Freiheit. Tritt aus ängstlichem Zögern heraus in den Sturm des Geschehens, nur von Gottes Gebot und deinem Glauben getragen, und die Freiheit wird deinen Geist jauchzend empfangen“.