Dank der Überlebenden

Emil Henk
Dank der Überlebenden
Ansprache von Emil Henk, Stiftung „Hilfswerk 20. Juli 1944“, am 19. Juli 1955 in der Gedenkstätte Plötzensee, Berlin



Die Überlebenden und die Hinterbliebenen des 20. Juli 1944 danken in dieser Stunde der Stadt Berlin und danken ganz besonders Ihnen, Herr Regierender Bürgermeister, für die Einladung an diesen ungeheueren Ort.


Wir wissen uns verbunden mit den Menschen, die hier ihr Leben ließen für das ewige und unzerstörbare Gut der Freiheit, das ihnen allen köstlich war und das uns allen unverlierbar ist. Wenn die rohe Gewalt als Staat siegt, dann sind es Männer, die ihr Leben hingeben, weil ihnen ihr Gewissen keinen anderen Weg lässt. Sie sind in Wahrheit das Gewissen ihrer Zeit, das bleibt, auch wenn der Mensch unterdrückt ist.


In der Diktatur bleibt dem freien und auch dem geistigen und religiösen Menschen nichts als der schwere Gang in den Tod, wenn er vor sich selbst bestehen will.


Hier sind die Opfer des 20. Juli 1944 ihren letzten Weg gegangen und hier haben zwölf Jahre Menschen ihre Gesinnung mit dem Tod besiegelt. Der Tod ist die andere Seite der rohen Macht.


Ein gemeinsames menschliches und weltpolitisches Schicksal verbindet alle. Wir erklären uns solidarisch mit den Toten – sie sind alle in ungeheurer Verrechnung von Mensch und Geschichte hinabgegangen. Unser Zeitalter muss ihnen, den Toten der Freiheit und Kultur, alle Ehren erweisen.


Wir verneigen uns vor ihnen, den Brüdern im Schicksal – vor ihnen, von denen Abschied zu nehmen Leid unseres Lebens ist, von denen Abschied zu nehmen Leid unseres Volkes sein muss.

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19.07.1955
 Willy Brandt
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