Das gottgewollte Antlitz des Menschen wiederherstellen
Cord von Hobe
Das gottgewollte Antlitz des Menschen wiederherstellen
Ansprache von Generalleutnant Cord von Hobe am 20. Juli 1967 im Ehrenhof der Gedenk- und Bildungsstätte Stauffenbergstraße, Berlin
Es ist heute das letzte Mal, dass ich vor meinem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst für unser Volk in der Bundeswehr an dieser uns so bewegenden Stätte sprechen darf. Es ist nicht nur die Wehmut des Abschieds von dieser oftmals übernommenen Aufgabe, sondern auch die Sorge um die Zukunft, die mich veranlasst, besonders offen zu sprechen.
Gedenkfeiern laufen in unserer mit Unrast erfüllten Zeit Gefahr, in Formen zu ersticken und ihren Sinn zu verlieren. Für alle, die die Zeit des Nationalsozialismus bewusst miterlebt haben, ist dieser Tag eine ergreifende Erinnerung, für manchen aber nur eine lästige Mahnung des Gewissens. Es trifft dies vor allem die Generation der über 60-jährigen. Entscheidend ist heute: Was sagen der Widerstand gegen den Nationalsozialismus und der 20. Juli unserer Jugend, den 20-jährigen, die zum großen Teil in der Bundeswehr dienen?
Ist es für diese eine schon zur Geschichte gewordene Phase des Zweiten Weltkrieges ein nur interessantes Ereignis oder gar nur der verunglückte Versuch der Auflehnung einiger unzufriedener Politiker, Beamter, Gewerkschaftler und Offiziere – vergreister Reaktionäre, die man allenfalls bewundert, wenn nicht bemitleidet? War dies ein Aufstand, den man beliebig als Modellfall wieder anwenden kann?
Nun, wir Älteren kennen diese Männer und Frauen – jeden Alters, verschiedener Herkunft – die sich nach schwerer Gewissensentscheidung dieser Aufgabe verschrieben und Gefahr für Leib und Leben auf sich genommen haben. Es ist meiner Ansicht nach Aufgabe der älteren Generation, solange wir leben und wirken können, das Erbe dieser Männer nicht nur zu wahren, sondern weiterzugeben an eine Jugend, die durchaus bereit ist, Vorbilder anzunehmen, wenn sie überzeugt wird.
Wir sehen wohl alle die Zeichen der Zeit, die gerade bei unserer Jugend auf Sturm stehen. Wir spüren Unbehagen und große innere Labilität, die den jungen Menschen falschen Propheten zugänglich macht. Es ist für uns Ältere nicht genug, Unordnung festzustellen, Missfallen zu äußern; wir dürfen uns ihnen nicht versagen und die Dinge treiben lassen. Gerade darin haben uns diese Männer des 20. Juli ein Beispiel gegeben.
Welches waren ihre Ziele? Lassen Sie mich nur vier dieser Ziele herausgreifen, die mir heute besonders aktuell erscheinen. Sie wollten das gottgewollte Antlitz des Menschen wiederherstellen. – Ich glaube, dass der moderne Mensch heute in ähnlicher Weise bedroht ist. Er läuft Gefahr, das richtige, nämlich von Gott gewollte, Verständnis seiner selbst zu verlieren und sich dem Ausbruch negativer, emotioneller Kräfte hinzugeben. Wir spüren mit Unbehagen, wie sehr Bewegungsfreiheit und Bewertung des Menschen in einer Welt der Großapparaturen und Bürokratien, ähnlich wie in der Diktatur des Nationalsozialismus, eingeengt werden. Unsere Jugend kritisiert nicht mit Unrecht vorhandene gesellschaftliche Strukturen.
Es würde zum Chaos führen, diese Strukturen nun einfach zu zerbrechen. Die ältere Generation hat die Pflicht zu erforschen, was ist bei uns nicht in Ordnung? Wir müssen wie diese Männer Gleichgültigkeit, Starrheit und Egoismus ablegen, um zeitgemäße demokratische Reformen und Wandlungen zu erreichen und – dies ist entscheidend – unsere Jugend davon zu überzeugen. Ich glaube, dass diese Evolution alle geistigen, technischen, wirtschaftlichen und auch militärischen Bereiche umfassen muss. Die Männer des 20. Juli haben schon in dieser Richtung gedacht und geplant.
In engem Zusammenhang, ja Wechselwirkung damit stehen die Liebe und das Bedürfnis nach Freiheit, die diese Männer anstrebten. Diese Freiheit verstanden sie nicht allein in äußerlicher oder nur politischer Freiheit. Ziel war in erster Linie die persönliche Freiheit des Einzelnen, freilich nicht eine Freiheit ohne Bindungen, sondern eine Freiheit, die in freier Gewissensentscheidung bereit war, Pflichten und Opfer auf sich zu nehmen. Sie selbst gaben uns darin das beste Beispiel, indem sie sich von Lob und Tadel ihrer Umwelt unabhängig machten.
Allen Männern des 20. Juli, gleich aus welchem Lager sie kamen, war die Liebe zu Volk und Heimat gemeinsam, eine Liebe, der sie willig und ohne Vorbehalte das Opfer ihres Lebens brachten. Wir wissen, wie viel Missbrauch mit dem Begriff Vaterland getrieben wurde und leider noch wird. Bemühen wir uns auch hier, ohne Enge und nationale Starrheit einen zeitgemäßen Weg zu finden, den unsere Jugend überzeugt gehen kann. Seien wir uns bewusst verpflichtender Faktoren unserer Kultur und Geschichte, lernen wir aber auch unsere Schwächen überwinden, lernen wir vor allem aus den Zeiten, in denen wir versagt haben.
Die Liebe zum eigenen Volk und Heimat ist meiner Ansicht nach nicht zu trennen von der Achtung anderer Völker und dem Verständnis für deren Belange. Versuchen wir, die Gegebenheiten und Entwicklungen unserer Welt in größeren Zusammenhängen zu sehen. Dies ist gleichzeitig ein Beitrag zum Frieden in der Welt. Die Sehnsucht nach Frieden war nicht nur die Triebkraft der Männer des 20. Juli, sie ist auch das Thema Nummer eins unserer Tage. Ich kann Sie versichern, dass niemand mehr den Frieden wünscht als wir Soldaten. Freilich darf sich der Frieden in Freiheit nicht nur auf den äußeren Frieden beschränken, sondern er muss den Frieden in allen Bereichen eines Volkes einschließen, der das Leben erst lebenswert macht. Die Sehnsucht nach Frieden, Kundgebungen für den Frieden, mögen sie auch noch so gut gemeint sein, ja selbst politische Gespräche allein genügen nicht. Der Friede ist Aufgabe jedes Einzelnen. Er fordert guten Willen, konstruktive Mitarbeit zur Lösung der Aufgaben unserer Zeit und Opfer, ja große Opfer für uns alle.
Verehrte Anwesende, ich habe in der kurzen Zeit nur einige Gedanken ausgesprochen. Sie mögen zum Nachdenken anregen, richtig verstanden werden und auf fruchtbaren Boden fallen. Es ist ein Vermächtnis, das ich besorgt, aber aus heißem Herzen heute hier ausspreche – im Sinne der Männer, deren manche mir Freunde waren und die wir nun mit dem Kranz der Bundeswehr und dem Lied „Vom guten Kameraden“ ehren.
Das gottgewollte Antlitz des Menschen wiederherstellen
Ansprache von Generalleutnant Cord von Hobe am 20. Juli 1967 im Ehrenhof der Gedenk- und Bildungsstätte Stauffenbergstraße, Berlin
Es ist heute das letzte Mal, dass ich vor meinem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst für unser Volk in der Bundeswehr an dieser uns so bewegenden Stätte sprechen darf. Es ist nicht nur die Wehmut des Abschieds von dieser oftmals übernommenen Aufgabe, sondern auch die Sorge um die Zukunft, die mich veranlasst, besonders offen zu sprechen.
Gedenkfeiern laufen in unserer mit Unrast erfüllten Zeit Gefahr, in Formen zu ersticken und ihren Sinn zu verlieren. Für alle, die die Zeit des Nationalsozialismus bewusst miterlebt haben, ist dieser Tag eine ergreifende Erinnerung, für manchen aber nur eine lästige Mahnung des Gewissens. Es trifft dies vor allem die Generation der über 60-jährigen. Entscheidend ist heute: Was sagen der Widerstand gegen den Nationalsozialismus und der 20. Juli unserer Jugend, den 20-jährigen, die zum großen Teil in der Bundeswehr dienen?
Ist es für diese eine schon zur Geschichte gewordene Phase des Zweiten Weltkrieges ein nur interessantes Ereignis oder gar nur der verunglückte Versuch der Auflehnung einiger unzufriedener Politiker, Beamter, Gewerkschaftler und Offiziere – vergreister Reaktionäre, die man allenfalls bewundert, wenn nicht bemitleidet? War dies ein Aufstand, den man beliebig als Modellfall wieder anwenden kann?
Nun, wir Älteren kennen diese Männer und Frauen – jeden Alters, verschiedener Herkunft – die sich nach schwerer Gewissensentscheidung dieser Aufgabe verschrieben und Gefahr für Leib und Leben auf sich genommen haben. Es ist meiner Ansicht nach Aufgabe der älteren Generation, solange wir leben und wirken können, das Erbe dieser Männer nicht nur zu wahren, sondern weiterzugeben an eine Jugend, die durchaus bereit ist, Vorbilder anzunehmen, wenn sie überzeugt wird.
Wir sehen wohl alle die Zeichen der Zeit, die gerade bei unserer Jugend auf Sturm stehen. Wir spüren Unbehagen und große innere Labilität, die den jungen Menschen falschen Propheten zugänglich macht. Es ist für uns Ältere nicht genug, Unordnung festzustellen, Missfallen zu äußern; wir dürfen uns ihnen nicht versagen und die Dinge treiben lassen. Gerade darin haben uns diese Männer des 20. Juli ein Beispiel gegeben.
Welches waren ihre Ziele? Lassen Sie mich nur vier dieser Ziele herausgreifen, die mir heute besonders aktuell erscheinen. Sie wollten das gottgewollte Antlitz des Menschen wiederherstellen. – Ich glaube, dass der moderne Mensch heute in ähnlicher Weise bedroht ist. Er läuft Gefahr, das richtige, nämlich von Gott gewollte, Verständnis seiner selbst zu verlieren und sich dem Ausbruch negativer, emotioneller Kräfte hinzugeben. Wir spüren mit Unbehagen, wie sehr Bewegungsfreiheit und Bewertung des Menschen in einer Welt der Großapparaturen und Bürokratien, ähnlich wie in der Diktatur des Nationalsozialismus, eingeengt werden. Unsere Jugend kritisiert nicht mit Unrecht vorhandene gesellschaftliche Strukturen.
Es würde zum Chaos führen, diese Strukturen nun einfach zu zerbrechen. Die ältere Generation hat die Pflicht zu erforschen, was ist bei uns nicht in Ordnung? Wir müssen wie diese Männer Gleichgültigkeit, Starrheit und Egoismus ablegen, um zeitgemäße demokratische Reformen und Wandlungen zu erreichen und – dies ist entscheidend – unsere Jugend davon zu überzeugen. Ich glaube, dass diese Evolution alle geistigen, technischen, wirtschaftlichen und auch militärischen Bereiche umfassen muss. Die Männer des 20. Juli haben schon in dieser Richtung gedacht und geplant.
In engem Zusammenhang, ja Wechselwirkung damit stehen die Liebe und das Bedürfnis nach Freiheit, die diese Männer anstrebten. Diese Freiheit verstanden sie nicht allein in äußerlicher oder nur politischer Freiheit. Ziel war in erster Linie die persönliche Freiheit des Einzelnen, freilich nicht eine Freiheit ohne Bindungen, sondern eine Freiheit, die in freier Gewissensentscheidung bereit war, Pflichten und Opfer auf sich zu nehmen. Sie selbst gaben uns darin das beste Beispiel, indem sie sich von Lob und Tadel ihrer Umwelt unabhängig machten.
Allen Männern des 20. Juli, gleich aus welchem Lager sie kamen, war die Liebe zu Volk und Heimat gemeinsam, eine Liebe, der sie willig und ohne Vorbehalte das Opfer ihres Lebens brachten. Wir wissen, wie viel Missbrauch mit dem Begriff Vaterland getrieben wurde und leider noch wird. Bemühen wir uns auch hier, ohne Enge und nationale Starrheit einen zeitgemäßen Weg zu finden, den unsere Jugend überzeugt gehen kann. Seien wir uns bewusst verpflichtender Faktoren unserer Kultur und Geschichte, lernen wir aber auch unsere Schwächen überwinden, lernen wir vor allem aus den Zeiten, in denen wir versagt haben.
Die Liebe zum eigenen Volk und Heimat ist meiner Ansicht nach nicht zu trennen von der Achtung anderer Völker und dem Verständnis für deren Belange. Versuchen wir, die Gegebenheiten und Entwicklungen unserer Welt in größeren Zusammenhängen zu sehen. Dies ist gleichzeitig ein Beitrag zum Frieden in der Welt. Die Sehnsucht nach Frieden war nicht nur die Triebkraft der Männer des 20. Juli, sie ist auch das Thema Nummer eins unserer Tage. Ich kann Sie versichern, dass niemand mehr den Frieden wünscht als wir Soldaten. Freilich darf sich der Frieden in Freiheit nicht nur auf den äußeren Frieden beschränken, sondern er muss den Frieden in allen Bereichen eines Volkes einschließen, der das Leben erst lebenswert macht. Die Sehnsucht nach Frieden, Kundgebungen für den Frieden, mögen sie auch noch so gut gemeint sein, ja selbst politische Gespräche allein genügen nicht. Der Friede ist Aufgabe jedes Einzelnen. Er fordert guten Willen, konstruktive Mitarbeit zur Lösung der Aufgaben unserer Zeit und Opfer, ja große Opfer für uns alle.
Verehrte Anwesende, ich habe in der kurzen Zeit nur einige Gedanken ausgesprochen. Sie mögen zum Nachdenken anregen, richtig verstanden werden und auf fruchtbaren Boden fallen. Es ist ein Vermächtnis, das ich besorgt, aber aus heißem Herzen heute hier ausspreche – im Sinne der Männer, deren manche mir Freunde waren und die wir nun mit dem Kranz der Bundeswehr und dem Lied „Vom guten Kameraden“ ehren.