Orte des Widerstandes – Orte der Erinnerung
Peter Altmaier
Orte des Widerstandes – Orte der Erinnerung
Grußwort des Bundesministers für besondere Aufgaben und Chefs des Bundeskanzleramtes Peter Altmaier am 20. Juli 2014 im Ehrenhof der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in der Stauffenbergstraße, Berlin
Meine Damen und Herren!
Ich danke Ihnen, dass Sie in den Ehrenhof des Bendlerblocks gekommen sind und begrüße Sie herzlich im Namen der Bundesregierung! Es freut mich ganz besonders, etwa 80 Jugendliche und junge Erwachsene begrüßen zu dürfen, die den heutigen Tag über an den Gedenkveranstaltungen teilnehmen.
Wir erinnern uns heute an die mutigen Männer vom 20. Juli 1944. Wir erinnern uns darüber hinaus an alle Frauen und Männer, die dem nationalsozialistischen Regime Widerstand geleistet haben. Das tun wir zunächst hier im Bendlerblock, dem ehemaligen Oberkommando des Heeres. Später gedenken wir in der ehemaligen Haftanstalt Plötzensee der Toten des Widerstandes.
Neben diesen bekannten Erinnerungsorten gibt es aber auch weniger bekannte Erinnerungsorte, an denen die Geschichte des Widerstandes hier in Berlin, aber auch anderswo erlebbar wird. Genannt seien etwa die Kirche von Pfarrer Martin Niemöller in Dahlem oder das ehemalige Gestapo-Sammellager in der Rosenstraße, vor dem Ende Februar/Anfang März 1943 der Protest zahlreicher Frauen die Freilassung ihrer verhafteten jüdischen Angehörigen erreichen konnte.
Diese Orte des Widerstandes und die Menschen des Widerstandes: Beide sind untrennbar miteinander verbunden. An diesen Orten werden uns die Einzelschicksale dieser Schreckenszeit begreifbar und treten uns besonders nahe. Uns, die wir mehr und mehr zu Generationen gehören, die diesen Schrecken nicht mehr persönlich erleben durften und auf das Zeugnis der Überlebenden und auf die Orte des Gedenkens besonders angewiesen sind. So auch hier, wenn es um das Schicksal der Männer des 20. Juli geht.
Die Männer um Claus Graf von Stauffenberg haben vor 70 Jahren, so der Vorwurf, ihren Eid gebrochen. Lässt man diesen Satz wirken, so wirkt er auch heute noch. Jahrzehnte lang haben Menschen und Gerichte damit gekämpft. Dabei war die Vereidigung der Wehrmacht nicht auf den Staat oder Volk und Vaterland, sondern auf Adolf Hitler persönlich erfolgt. Vom 2. August 1934 an sollte ein jeder nicht mehr Deutschland dienen, sondern einzig und allein: Adolf Hitler. Verweigerer der persönlichen Vereidigung auf Hitler wurden seit Kriegsbeginn in der Regel standrechtlich erschossen.
Diesen Eid zu brechen, weil sie sich einem anderen, besseren Deutschland verpflichtet fühlten, das war kein Landesverrat, das war eine wahrhaft patriotische Tat. Und im Übrigen: Es kann und darf weder damals noch heute einen Eid geben, der zu Angriffskrieg, Kriegsverbrechen, zu Völkermord verpflichtet. Das dürfen wir nicht vergessen, nicht nur für die Vergangenheit, sondern auch für die Zukunft.
Nachdem das Attentat fehlgeschlagen war, nahm die Ermordung dieser Patrioten genau hier, an dieser Stelle ihren grausamen Anfang. Insgesamt wurden bis zum Ende des Krieges etwa 200 Angehörige der Männer und Frauen des 20. Juli getötet oder in den Tod getrieben. Die Nachwelt hat damit lange gerungen. Der Bundesgerichtshof hat Urteile getroffen. Heute, im wieder vereinigten, im demokratischen Deutschland, sind wir uns alle gemeinsam der Bedeutung dieses Aktes des Widerstandes bewusst.
Wir erinnern uns heute auch an diejenigen, die gelitten haben, weil sie Angehörige von Widerständlern waren. Ihre Ehefrauen, Geschwister und Kinder ab 16 Jahren wurden in Sippenhaft genommen und eingesperrt. 47 jüngere Kinder zahlten einen besonders bitteren Preis. Sie wurden in ein Kinderheim im Harz gebracht. Dort, isoliert von der Familie, mit neuen Namen sollten sie ihre frühere Identität vergessen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
die Männer und Frauen des 20. Juli 1944, die Attentäter selbst, ihre Helfer, jene, die von den Plänen wussten oder sie ahnten – sie sind nicht vergessen und sie werden auch künftig nicht vergessen. Der Plan des Nazi-Regimes, den Kindern die Erinnerung an ihre Angehörigen auszutreiben und damit mittelbar die Erinnerung an den Widerstand selbst auszulöschen – er ist gottlob gescheitert. Der Versuch, die Erinnerung an den Mut und das Gewissen zu verhindern – auch er ist gottlob gescheitert.
Der Ehrenhof des Bendlerblocks, die Gedenkstätte in Plötzensee und die vielen anderen Orte des Gedenkens – sie halten unsere Erinnerung wach und mahnen unser Gewissen. Sie stehen auch dafür, dass die Beschäftigung mit Deutschlands dunkelster Zeit niemals aufhören wird und niemals aufhören darf. Sie mahnen uns, unsere Bundesrepublik Deutschland, unseren freiheitlichen und demokratischen Rechtsstaat mit Dankbarkeit zu schützen und zu schätzen und mitunter auch beherzt dafür einzustehen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
wir erinnern uns hier an der Gedenkstätte Deutscher Widerstand auch daran, dass der Widerstand nicht nur aus der Gruppe um Stauffenberg bestand, sondern breite, auch zivile Kreise umfasste. Wir erinnern uns gemeinsam an den militärischen, ebenso aber auch an den zivilen Widerstand. Herkunft, Denkweise, politische Richtung und Methode waren dabei durchaus verschieden. Aber es gab doch eines, das den „Widerstand“ einte: Es war das verantwortliche Gewissen, auf der Seite des Rechts streiten zu wollen, obwohl – oder gerade eben weil – Terror und Unrecht regierten.
Sie haben ausgewählte Orte des Nationalsozialismus und des Widerstandes gegen den Nationalsozialismus in Berlin besucht, meine sehr verehrten Damen und Herren Jugendliche, die heute unter uns sind. Sie sind mit Zeitzeugen und mit anderen Angehörigen ins Gespräch gekommen. Ich wünsche Ihnen, dass diese unmittelbaren Eindrücke der Geschichte erfahrbar und erlebbar für Sie geworden sind. Ich wünsche Ihnen, dass es Sie neugierig gemacht hat, sich Fragen zu stellen über Recht und Unrecht, über Gehorsam und Gewissen und über Haltung im Umfeld von Anpassung. Und ich wünsche uns allen, den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes, dass auch wir diese Fragen nie aus den Augen verlieren.
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
wenn wir an die Männer des 20. Juli denken, die heute vor 70 Jahren aufgestanden sind, dann denken wir auch daran, dass viele von Ihnen mit etwas Glück heute noch lebend unter uns sein könnten. Was haben sie nicht alles versäumt in diesen 70 Jahren: Die Raumfahrt, die Mondlandung, die Erfindung des Computers und des Internets. 70 Mal Frühling und Sommer, 70 Mal Weihnachten und Bratäpfel. Diese Menschen haben aber nicht an sich gedacht, sondern an ihr Land und an unsere Zukunft. Daran sollten wir immer denken.
Orte des Widerstandes – Orte der Erinnerung
Grußwort des Bundesministers für besondere Aufgaben und Chefs des Bundeskanzleramtes Peter Altmaier am 20. Juli 2014 im Ehrenhof der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in der Stauffenbergstraße, Berlin
Meine Damen und Herren!
Ich danke Ihnen, dass Sie in den Ehrenhof des Bendlerblocks gekommen sind und begrüße Sie herzlich im Namen der Bundesregierung! Es freut mich ganz besonders, etwa 80 Jugendliche und junge Erwachsene begrüßen zu dürfen, die den heutigen Tag über an den Gedenkveranstaltungen teilnehmen.
Wir erinnern uns heute an die mutigen Männer vom 20. Juli 1944. Wir erinnern uns darüber hinaus an alle Frauen und Männer, die dem nationalsozialistischen Regime Widerstand geleistet haben. Das tun wir zunächst hier im Bendlerblock, dem ehemaligen Oberkommando des Heeres. Später gedenken wir in der ehemaligen Haftanstalt Plötzensee der Toten des Widerstandes.
Neben diesen bekannten Erinnerungsorten gibt es aber auch weniger bekannte Erinnerungsorte, an denen die Geschichte des Widerstandes hier in Berlin, aber auch anderswo erlebbar wird. Genannt seien etwa die Kirche von Pfarrer Martin Niemöller in Dahlem oder das ehemalige Gestapo-Sammellager in der Rosenstraße, vor dem Ende Februar/Anfang März 1943 der Protest zahlreicher Frauen die Freilassung ihrer verhafteten jüdischen Angehörigen erreichen konnte.
Diese Orte des Widerstandes und die Menschen des Widerstandes: Beide sind untrennbar miteinander verbunden. An diesen Orten werden uns die Einzelschicksale dieser Schreckenszeit begreifbar und treten uns besonders nahe. Uns, die wir mehr und mehr zu Generationen gehören, die diesen Schrecken nicht mehr persönlich erleben durften und auf das Zeugnis der Überlebenden und auf die Orte des Gedenkens besonders angewiesen sind. So auch hier, wenn es um das Schicksal der Männer des 20. Juli geht.
Die Männer um Claus Graf von Stauffenberg haben vor 70 Jahren, so der Vorwurf, ihren Eid gebrochen. Lässt man diesen Satz wirken, so wirkt er auch heute noch. Jahrzehnte lang haben Menschen und Gerichte damit gekämpft. Dabei war die Vereidigung der Wehrmacht nicht auf den Staat oder Volk und Vaterland, sondern auf Adolf Hitler persönlich erfolgt. Vom 2. August 1934 an sollte ein jeder nicht mehr Deutschland dienen, sondern einzig und allein: Adolf Hitler. Verweigerer der persönlichen Vereidigung auf Hitler wurden seit Kriegsbeginn in der Regel standrechtlich erschossen.
Diesen Eid zu brechen, weil sie sich einem anderen, besseren Deutschland verpflichtet fühlten, das war kein Landesverrat, das war eine wahrhaft patriotische Tat. Und im Übrigen: Es kann und darf weder damals noch heute einen Eid geben, der zu Angriffskrieg, Kriegsverbrechen, zu Völkermord verpflichtet. Das dürfen wir nicht vergessen, nicht nur für die Vergangenheit, sondern auch für die Zukunft.
Nachdem das Attentat fehlgeschlagen war, nahm die Ermordung dieser Patrioten genau hier, an dieser Stelle ihren grausamen Anfang. Insgesamt wurden bis zum Ende des Krieges etwa 200 Angehörige der Männer und Frauen des 20. Juli getötet oder in den Tod getrieben. Die Nachwelt hat damit lange gerungen. Der Bundesgerichtshof hat Urteile getroffen. Heute, im wieder vereinigten, im demokratischen Deutschland, sind wir uns alle gemeinsam der Bedeutung dieses Aktes des Widerstandes bewusst.
Wir erinnern uns heute auch an diejenigen, die gelitten haben, weil sie Angehörige von Widerständlern waren. Ihre Ehefrauen, Geschwister und Kinder ab 16 Jahren wurden in Sippenhaft genommen und eingesperrt. 47 jüngere Kinder zahlten einen besonders bitteren Preis. Sie wurden in ein Kinderheim im Harz gebracht. Dort, isoliert von der Familie, mit neuen Namen sollten sie ihre frühere Identität vergessen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
die Männer und Frauen des 20. Juli 1944, die Attentäter selbst, ihre Helfer, jene, die von den Plänen wussten oder sie ahnten – sie sind nicht vergessen und sie werden auch künftig nicht vergessen. Der Plan des Nazi-Regimes, den Kindern die Erinnerung an ihre Angehörigen auszutreiben und damit mittelbar die Erinnerung an den Widerstand selbst auszulöschen – er ist gottlob gescheitert. Der Versuch, die Erinnerung an den Mut und das Gewissen zu verhindern – auch er ist gottlob gescheitert.
Der Ehrenhof des Bendlerblocks, die Gedenkstätte in Plötzensee und die vielen anderen Orte des Gedenkens – sie halten unsere Erinnerung wach und mahnen unser Gewissen. Sie stehen auch dafür, dass die Beschäftigung mit Deutschlands dunkelster Zeit niemals aufhören wird und niemals aufhören darf. Sie mahnen uns, unsere Bundesrepublik Deutschland, unseren freiheitlichen und demokratischen Rechtsstaat mit Dankbarkeit zu schützen und zu schätzen und mitunter auch beherzt dafür einzustehen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
wir erinnern uns hier an der Gedenkstätte Deutscher Widerstand auch daran, dass der Widerstand nicht nur aus der Gruppe um Stauffenberg bestand, sondern breite, auch zivile Kreise umfasste. Wir erinnern uns gemeinsam an den militärischen, ebenso aber auch an den zivilen Widerstand. Herkunft, Denkweise, politische Richtung und Methode waren dabei durchaus verschieden. Aber es gab doch eines, das den „Widerstand“ einte: Es war das verantwortliche Gewissen, auf der Seite des Rechts streiten zu wollen, obwohl – oder gerade eben weil – Terror und Unrecht regierten.
Sie haben ausgewählte Orte des Nationalsozialismus und des Widerstandes gegen den Nationalsozialismus in Berlin besucht, meine sehr verehrten Damen und Herren Jugendliche, die heute unter uns sind. Sie sind mit Zeitzeugen und mit anderen Angehörigen ins Gespräch gekommen. Ich wünsche Ihnen, dass diese unmittelbaren Eindrücke der Geschichte erfahrbar und erlebbar für Sie geworden sind. Ich wünsche Ihnen, dass es Sie neugierig gemacht hat, sich Fragen zu stellen über Recht und Unrecht, über Gehorsam und Gewissen und über Haltung im Umfeld von Anpassung. Und ich wünsche uns allen, den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes, dass auch wir diese Fragen nie aus den Augen verlieren.
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
wenn wir an die Männer des 20. Juli denken, die heute vor 70 Jahren aufgestanden sind, dann denken wir auch daran, dass viele von Ihnen mit etwas Glück heute noch lebend unter uns sein könnten. Was haben sie nicht alles versäumt in diesen 70 Jahren: Die Raumfahrt, die Mondlandung, die Erfindung des Computers und des Internets. 70 Mal Frühling und Sommer, 70 Mal Weihnachten und Bratäpfel. Diese Menschen haben aber nicht an sich gedacht, sondern an ihr Land und an unsere Zukunft. Daran sollten wir immer denken.