Sie handelten für ein besseres Deutschland.

Gedenkstätte Deutscher Widerstand

Franz Josef Jung

Sie handelten für ein besseres Deutschland.

Ansprache des Bundesministers der Verteidigung Dr. Franz Josef Jung am 20. Juli 2006 im Ehrenhof der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in der Stauffenbergstraße, Berlin

Sehr verehrte Damen und Herren,

das Attentat vom 20. Juli ist fehlgeschlagen. Innerhalb weniger Stunden war der Staatsstreich gescheitert. Doch Erfolglosigkeit kann nicht die Kategorie der Bewertung sein. Denn die Männer und Frauen des 20. Juli haben Zeugnis abgelegt für ein anderes, für ein besseres Deutschland.

Deshalb versammeln wir uns hier im Bendlerblock, im Zentrum des Widerstandes, um des 20. Juli 1944 zu gedenken. Besonders begrüße ich die Angehörigen derjenigen, die damals ihr Leben eingesetzt haben und uns dadurch zu Vorbildern geworden sind.

Wir gedenken heute der Männer und Frauen, die damals für Würde und Menschenrechte einstanden. Sie handelten für ein besseres Deutschland.

Unsere Gedanken gehen heute zu den Ereignissen vor über 60 Jahren zurück. Nur noch wenige unter uns besitzen eine persönliche Erinnerung an diese Zeit. Doch sie hat sich ins Gedächtnis für unsere Nation tief eingeprägt.

Das „Nie wieder“ ist zum Grundsatz des politischen Handelns in Deutschland geworden. Die Männer und Frauen des 20. Juli erinnern uns daran, dass es auch in dunklen Zeiten unserer Geschichte aufrechte Menschen gegeben hat, die über einen sicheren Kompass verfügten, die Recht von Unrecht unterscheiden konnten und die nicht schwiegen oder gegenüber dem scheinbar allmächtigen Unrechtsstaat resignierten.

Das Ziel der Männer und Frauen vom 20. Juli war es, unserem Land seine Selbstachtung zurückzugeben. Sie wollten die Voraussetzungen schaffen, dass Deutschland in die Gemeinschaft freier Staaten zurückkehren konnte.

Hier im Innenhof, unmittelbar hier vor uns steht die Bronzefigur eines jungen Mannes mit gefesselten Händen. Es ist 53 Jahre her, dass dieses von Professor Scheibe gestaltete Kunstwerk enthüllt worden ist. In seiner Zeitlosigkeit erinnert es daran, dass das Erbe des 20. Juli auch heute gilt und auch uns Heutigen die innere Kraft und Zuversicht vermittelt, dass wir unserer moralischen Verantwortung gerecht werden können. Nichts anderes hat damals der Regierende Bürgermeister von Berlin, Ernst Reuter, gemeint, als er am 20. Juli bei der Einweihung dieses Denkmals formuliert hat, wir alle müssten „aus der Erinnerung an die Vergangenheit Kraft für unser Wirken, für unser Leben, für unser Handeln, für uns selber und für die Zukunft unseres Volkes gewinnen.“

Dieses Kunstwerk erinnert auch daran, dass auch Fesseln den Freiheitswillen des Einzelnen nicht brechen können.

Es kommt auf den Einzelnen an und nicht auf seine Zugehörigkeit zu einer individuellen Gruppe, auch das haben uns die Männer und Frauen des 20. Juli gelehrt. Ob sie Konservative oder Sozialisten, Offiziere, Unteroffiziere oder einfache Soldaten, Adlige oder Arbeiterführer, christlichen Glaubens oder konfessionslos waren, das spielte angesichts der gemeinsamen Gewissensentscheidung keine Rolle.

Unsere Gedanken gehen in diesen Stunden zu den Ereignissen der Nacht vom 20. auf den 21. Juli zurück. Hier, im Innenhof des Bendlerblocks, unmittelbar hier vor uns, wurden Oberst Graf von Stauffenberg, General Friedrich Olbricht, Oberst Albrecht Ritter Mertz von Quirnheim und Oberleutnant Werner von Haeften erschossen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Der Einsatz der Widerstandskämpfer für Recht und Freiheit ist nicht vergebens geblieben. Wir Deutschen haben uns das Recht und die Freiheit als Leitmotiv für unser Handeln in Staat und Gesellschaft gesetzt. Das Grundgesetz ist auch eine Antwort auf die Erfahrung aus der Geschichte. Die Bundeswehr bekennt sich zu diesem Erbe. Die Erinnerung an den 20. Juli 1944 zählt zum Kernbestand des Traditionsverständnisses, das wir in unseren Streitkräften vermitteln.

Es entspricht diesem Geist, dass heute Abend – wie in jedem Jahr seit der Wiedervereinigung – junge Rekruten des Wachbataillons geloben, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen.

Könnte es einen besseren Beweis als dies für die Aktualität des 20. Juli geben?

Die Männer und Frauen des Widerstandes sind Vorbilder für uns heute. Sie stehen dafür, dass es sich lohnt, tapfer für Recht und Freiheit anderer Menschen einzutreten. Sie bestärken uns, Einigkeit über die fundamentalen Werte zu erzielen und daraus die Verantwortung des Soldaten zu begründen. Sie mahnen uns, die Menschenwürde unter allen Umständen zu achten.

In einer anderen Zeit, in einer anderen Sprache, hat dies der Kunsthistoriker Edwin Redslob als Inschrift dieses Denkmals hier im Bendlerblock formuliert: „Ihr trugt die Schande nicht, Ihr wehrtet Euch, Ihr gabt das große, ewig wache Zeichen der Umkehr opfernd Euer heißes Leben für Freiheit, Recht und Ehre.“

Die Opfer des 20. Juli sind uns Auftrag und Verpflichtung zugleich.

Ich danke Ihnen.







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