Totengedenken

Dieter Thomas

Totengedenken

Totengedenken von Dieter Thomas am 20. Juli 2003 in der Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Berlin

Wir gedenken unserer Toten!

Heute vor 59 Jahren starben in den Nachtstunden im Bendlerblock fünf deutsche Offiziere, die versucht hatten, Deutschland von Hitler zu befreien.

Sie waren am 20. Juli 1944 die ersten, die seiner Rache zum Opfer fielen.

Wir ehren ihre Namen hier auf der Gedenktafel in diesem Hof.

Wir gedenken in dieser Stunde auch der Menschen, die schon seit 1933 im Widerstand lebten, oft einsam und verbittert, angesichts des Widerhalls, den nationalsozialistische Politik fand, sowohl in unserem Volk und auch weit über Deutschland hinaus.

Nach Qualen vor Freislers Volksgerichtshof und vor den nationalsozialistischen Sondergerichten mussten sie, zum größten Teil in Plötzensee, ihr Leben hingeben. Sie kamen aus allen Parteien der Weimarer Republik, es waren Frauen und Männer aus den Gewerkschaften, es waren Unternehmer und Arbeiter, Beamte und Angestellte, Professoren und Studenten, Offiziere und Soldaten und Männer der Kirchen.

Und es waren auch Menschen, aus dem weiten Kreis derer, die in unserem Land oder in der Fremde, in der Emigration, leben mussten und starben, weil sie die nationalsozialistische Lebensauffassung nicht zu ertragen vermochten.

Wir gedenken heute aller, die sterben mussten, weil sie eine andere Hautfarbe hatten, weil sie einem anderen Volk oder einer anderen Religion angehörten, weil sie krank waren oder zu denen gehörten, deren Leben die Nationalsozialisten als lebensunwert bezeichneten.

Wir gedenken vor allem der Millionen jüdischer Mitbürger, die in den Vernichtungslagern ermordet wurden. Sie, die aus allen Teilen unseres Landes und später aus ganz Europa von deutscher Hand verschleppt wurden, verschwanden meist spurlos in den Weiten des Ostens, so als hätte es sie nie gegeben.

Wir gedenken der Frauen und Männer in den einstmals von Deutschland besetzten Gebieten Europas, die sich innerhalb und außerhalb der Widerstandsorganisationen mit der Unterwerfung durch Hitlers Gewaltherrschaft nicht abfanden und daher sterben mussten oder deren Leben durch Verschleppung und Zwangsarbeit endete.

Einem Meer von Leiden und Tod durch 12 Jahre hindurch gedenken wir heute. Aber Krieg, Gewalt und Verbrechen gegen Menschen und Völker haben auch die Geschichte der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts durchzogen. Umso lebendiger bleibt daher die Mahnung, Gewalt und Unrecht zeitig genug zu widerstehen und gleichzeitig Toleranz gegenüber denen zu üben, die guten Gewissens eine andere Meinung vertreten.

Eine Mahnung an Deutschland, aber auch an Europa und die Welt.

Wir denken an unsere Toten in Dankbarkeit und Stille.